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135. Die Belagerung von Kolberg.
Aus dem historischen Schauspiel „Kolberg" von Paul Heyse.
Iv. Akt. 9. Szene.
(Ein niedriges, festes Gemach über dem Lauenburger Tor. Türen rechts und
im Hintergründe. Vorn ein Tisch mit Karten und Schreibgerät, ein Stuhl, Bänke
an den Wänden. Früher Morgen.)
Gneisenau. Nettelbeck. Offiziere: Steinmetz, Brünnow u. a.; Bürger von Kolberg,
darunter Grüneberg, Geertz, Schröder, Invalide Würges, Rektor Zipfel.
Gneisenau. Vom Hauptquartier des Feinds ward mir soeben
ein Schreiben überbracht, von dessen Inhalt
ich Sie in Kenntnis setzen muß. So schreibt
der Gen'ral Loison: (liest)
„Unter Kolberg, den 1. Julius 1807. Herr Gouverneur!
Sie haben für Ihren Oberherrn, für den Ruhm seiner Waffen
und für Ihren eigenen alles getan, was ein tapfrer Mann an der
Spitze tapferer Leute zur Verteidigung der Festung Kolberg tun
konnte. Jhrerfeits haben die Einwohner der Stadt durch ihre Ent-
behrungen und zahlreichen Opfer Beweise ihrer Hingebung geliefert.
Die Stellung des ftanzösischen Heeres, welches, auf allen Punkten
siegreich, Danzig, Königsberg u. s. w. besitzt, läßt keine Hoffnung
auf Hilfe.-------Sie haben eine zu tiefe Kenntnis des Kneges,
Herr Gouverneur, um nicht einzusehen, daß Ihre Verteidigung sich
nur um einige Tage verlängern könnte. Ich ersuche Sie daher,
mir den Platz zu übergeben. Ich biete Ihnen die ehrenvollen
Bedingungen an, welche Ihre schöne Verteidigung mit Recht ver-
dient ------späterhin würde ich nicht mehr dieselben Vorteile be-
willigen können. Dann, Herr Gouverneur, würden Sie sich vor-
werfen müssen, durch einen unnützen Widerstand die Zerstörung der
Stadt Kolberg herbeigeführt, den Untergang friedlicher Einwohner
und einer tapferen Besatzung verschuldet zu haben, die Sie
Ihrem Oberherrn und dem Lande erhalten konnten. Ich habe dir
Ehre u. s. w."
(Faltet den Brief wieder zusammen und legt ihn auf den Tisch.)
Nettelbeck (zu Würges):
Nun meiner Treu', ein höflicher Versucher!
Gneisenau. Ich wende mich nunmehr zuerst an Sie,
meine Herren Offiziere. Daß ich selbst
den Fall der Festung nicht überleben will,
dafür verpfänd' ich mein Ehrenwort!
Doch wer dem Vaterland und seinem König
in andrer Weise mehr zu nützen glaubt,
der trete vor! — Noch ist der Seeweg frei; —-
ich werd' ihn ohne Tadel scheiden sehn.
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befreiten treuen Stadt auf den Händen getragen wurden und dann bei Becher-
klang und vaterländischen Gesängen nach altem Burschenbrauche die Nacht
verbrachten. Dem Rausche der jugendlichen Lust folgte die ernste Arbeit,
die blutigste des ganzen Krieges; denn wieder fiel dem Jorckschen Korps
die schwerste Aufgabe zu. Als Jorck am Morgen des 16. in Schkeuditz
unter seinen Fenstern zum Aufsitzen blasen hörte, da hob er sein Glas und
sprach den Kernspruch seines lieben Paul Gerhardt: „Den Anfang, Mitt'
und Ende, Herr Gott, zum besten wende!* Wohl mochte er sich einer
höheren Hand empfehlen; denn unangreifbar, wie bei Wartenburg, schien
wieder die Stellung des Feindes. Marmont lehnte sich mit seiner linken
Flanke bei Möckern an den steilen Talrand der Elster, hatte die Mauern
des Dorfes zur Verteidigung eingerichtet, weiter rechts auf den flachen
Höhen eine Batterie von 80 Geschützen aufgefahren. Gegen diese kleine
Festung stürmten die Preußen heran auf der sanft ansteigenden, baumlosen
Ebene; sechsmal drangen sie in das Dorf und verloren es wieder. Endlich
führte Jorck selber seine Reiterei zum Angriff gegen die Höhen unter dem
Rufe: „Marsch, marsch, es lebe der König!" Nach einem wütenden Häuser-
kampfe schlägt das Fußvolk den Feind aus dem Dorfe heraus; am Abend
muß Marmont gegen die Stadt zurückweichen, 53 Kanonen in den Händen
der Preußen laffen, und an den Wachtfeuern der Sieger ertönt das Lied:
„Herr Gott, dich loben wir", wie in der Winternacht von Leuthen. Aber
welch ein Anblick am nächsten Morgen, als die Truppen zum Sonntags-
gottesdienst zusammentraten! Achtundzwanzig Kommandeure und Stabs-
offiziere lagen tot oder verwundet; von feinen 12 000 Mann Infanterie
hatte Dorck kaum 9000 mehr, seine Landwehr war im August mit
13 000 Mann ins Feld gezogen und zählte jetzt noch 2000. So waren
an dieser einen Stelle die Verbündeten bis auf eine kleine Stunde an die
Tore von Leipzig herangelangt.
Im Südosten, auf dem Hauptschauplatze des Kampfes, bei Wachau,
fochten die Verbündeten nicht glücklich. Hier hatte zwei Tage vorher ein
großartiges Vorspiel der Völkerschlacht sich abgespielt, ein gewaltiges
Reitergefecht, wobei König Murat nur mit Not dem Säbel eines Leutnants
von den Neumärkischen Dragonern entgangen war. Heute hielt Napoleon
selber mit der Garde und dem Kerne seines Heeres die dritthalb Stunden
lange Linie von Dölitz bis Seifertshain besetzt, durch Zahl und Stellung
den Verbündeten überlegen, 121000 gegen 113 000 Mann. Auf ihrem
linken Flügel vermochten die Verbündeten, eingeklemmt in dem buschigen
Gelände, ihre Macht nicht zu gebrauchen. General Merveldt geriet mit
einem Teile seines Korps in Gefangenschaft; mtt Mühe wurden die
Reserven dieser Österreicher aus den Auen über die Pleiße rechtsab auf
die offene Ebene hinaufgezogen. Es war die höchste Zeit; denn hier im
Zentrum konnten Kleists Preußen und die Ruffen des Prinzen Eugen
sich auf die Dauer nicht behaupten in dem verzweifelten Ringen gegen
die erdrückende Übermacht, die unter dem Schutze von 300 Geschützen
ihre Schläge führte. Die volle Hälfte dieser Helden von Kulm lag auf
dem Schlachtfelde. Schon glaubt Napoleon die Schlacht gewonnen, befiehlt
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Extrahierte Personennamen: Paul_Gerhardt Gott Marmont August Napoleon Merveldt Eugen Napoleon
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in der Stadt Sieg zu läuten, sendet Siegesboten an seinen Vasallen
König Friedrich August, der in Leipzig der Entscheidung harrt. „Noch
dreht sich die Welt um uns!" ruft er frohlockend aus. Ein letzter zer-
schmetternder Angriff der gesamten Reiterei soll das Zentrum durchbrechen.
Noch einmal dröhnt die Erde von dem Feuer der 300 Geschütze, dann
rasen 9000 Reiter in geschloffener Masse über das Blachfeld dahin, ein
undurchdringliches Dickicht von Rossen, Helmen, Lanzen und Schwertern.
Da kommen die österreichischen Reserven aus der Aue heran, und während
die Reitermaffen, atemlos von dem tollen Ritt, allmählich zurückgedrängt
werden, setzen sich die Verbündeten nochmals in den verlorenen Dörfern
fest, und am Abend behaupten sie fast wieder dieselbe Stellung wie am
Morgen. Schwarzenbergs Angriff war gescheitert, doch der Sieger hatte
nicht einmal den Besitz des Schlachtfeldes gewonnen.
Trat Napoleon jetzt den Rückzug an, so konnte er sein Heer in guter
Ordnung zum Rheine führen; denn die schlesische Armee, die einzige
Siegerin des ersten Schlachttages, stand von der Frankfurter Straße noch
weit entfernt und war überdies schwer erschöpft von dem verlustreichen
Kampfe. Aber der Liebling des Glücks vermochte das Unglück nicht zu
ertragen. Sein Hochmut wollte sich den ganzen Ernst der Lage nicht
eingestehen, wollte nicht lassen von unmöglichen Hoffnungen. Der Kaiser
tat das Verderblichste, was er wählen konnte, versuchte durch den
gefangenen Merveldt Unterhandlungen mit seinem Schwiegervater anzu-
knüpfen und gewährte also den Verbündeten die Frist, ihre gesammelten
Streitmassen heranzuziehen. Am 17. Oktober ruhten die Waffen; nur
Blücher konnte sich die Lust des Kampfes nicht versagen und drängte die
Franzosen bis dicht an die Nordseitc der Stadt zurück.
Ii.
Am 18. früh hatte Napoleon seine Armee näher an Leipzig heran-
genommen, ihr Halbkreis war nur noch etwa eine Stunde von den Toren
der Stadt entfernt. Gegen diese 160 000 Mann rückten 255 000 Ver-
bündete heran. Mehr als einen geordneten Rückzug konnte der Kaiser
nicht mehr erkämpfen; er aber hoffte noch auf Sieg, wies den Gedanken
an eine Niederlage gewaltsam von sich, versäumte alles, was den schwierigen
Rückmarsch über die Elster erleichtern konnte.
Die Natur der Dinge führte endlich den Ausgang herbei, den
Gneisenaus Scharfblick von vornherein als den einzig möglichen ange-
sehen hatte: die Entscheidung fiel auf dem rechten Flügel der Verbündeten.
Napoleon übersah von der Höhe des Tonbergs, wie die Österreicher auf
dem linken Flügel der Verbündeten abermals mit geringerem Glück den
Kampf um die Dörfer an der Pleiße eröffneten, wie dann das Zentrum
der Verbündeten über das Schlachtfeld von Wachau herankam. Es
waren die kampferprobten Scharen Kleists und des Prinzen Eugen; über
die unbcstatteten Leichen der zwei Tage zuvor gefallenen Kameraden
ging der Heerzug hinweg. Vor der Front der Angreifer lagen langhin-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_August Friedrich August Napoleon Ernst Napoleon Napoleon Eugen
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Denn Stunden gibt's in der Geschichte, wo
an das Gewissen jedes einzelnen
die letzte Frage tritt und jedes Machtwort
der Disziplin verstummt.
(Pause. Gneisenau ist an den Tisch getreten und blättert in Papieren.)
Steinmetz. Herr Kommandant,
im Auftrag —
Gneisenau. Wessen?
Steinmetz. Ihres Offizierkorps,
dem sich die braven Truppen angeschlossen,
hab' ich hier zu erklären, daß wir sämtlich
ausharren wollen bis zum letzten Mann.
Wir wissen, Rettung ist nicht mehr zu hoffen,
doch auf dem Ehrenschilde der Armee
sind leider böse Flecken auszutilgen,
und uns zu Glück und Ehre schätzen wir's,
wenn unser Blut hierzu gewürdigt wird.
Dies haben wir, schon als die Nachricht kam
von Danzigs Fall, in allen Kompagnieen
mit Handschlag uns gelobt, dies woll'n wir halten
und treu zu unserm braven Führer stehn.
Gneisenau. Ist dies die Meinung auch des Schillschen Korps?
Brünnow. Ich hoffe, diese Frage, Herr Major,
schließt keinen Zweifel ein.
Gneisenau. So dank' ich Ihnen,
daß Sie von Ihrer Pflicht so würdig denken.
Ich hatt' es anders nicht erwartet. Bringen
Sie auch der tapfern Mannschaft meinen Dank!
(Reicht Steinmetz die Hand.)
Und jetzt (sich zu den Bürgern wendend) ein Wort zu Ihnen,
meine Freunde!
Sie wissen, welches Los der Stadt verhängt ist,
doch hoff' ich wohl, vom Feind mir eine Frist
noch auszuwirken, daß die Bürgerschaft
mit Weib und Kind und ihrer besten Habe
zu Schiffe sich nach England retten kann.
Sie lassen uns die leere Stadt zurück,
und scheidend nehmen sie die Hoffnung mit sich,
dereinst ein neues Kolberg aufzubauen
in glücklicheren Tagen.
(Pause.)
Nettelbeck. Herr Major,
ist es erlaubt —
Gneisenau. Nein, Nettelbeck, Ihr werdet
noch schweigen. Ihr habt weder Weib noch Kind
und seid zu rasch, das Leben wegzuwerfen.
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324
140. Die Völkerschlacht bei Leipzig.
i.
Gneisenaus Augen leuchteten, als er am Morgen des 16. Oktobers
das ungeheure Schlachtfeld erblickte, wie vom Nordwesten und Norden,
vom Südosten und Süden her die Heersäulen der Verbündeten im weiten
Halbkreise gegen Leipzig heranzogen. Er wußte, die Stunde der Er-
füllung hatte geschlagen, und wie er empfand das Volk. Wie oft hatten
sich die Deutschen erfreut an den Schilderungen der Kaufleute von dem
vielsprachigen Völkergewimmel, das von Zeit zu Zeit marktend und
schachernd die hochgiebligen Straßen der alten Meßstadt erfüllte; jetzt
strömten wieder alle Völker des Weltteils vom Ebro bis zur Wolga in
den schlachtgewohnten Ebenen Obersachsens zusammen. Die große Zahl-
woche kam heran, die Abrechnung für zwei Jahrzehnte des Unheils und
der Zerstörung.
Die Verbündeten hatten für sich den dreifachen Vorteil der Überzahl
an Mannschaft und Geschütz, des konzentrischen Angriffs und einer sicheren
Flügelanlehnung. Napoleon stand im Halbkreise auf der Ebene östlich
von Leipzig; hinter ihm lagen die Stadt und die Auen — jene wild-
reichen, dichten Laubwälder, die sich meilenlang zwischen der Elster, der
Pleiße und ihren zahlreichen sumpfigen Armen ausdehnen, ein für die
Entfaltung großer Truppenmassen völlig unbrauchbares Wald- und Sumpf-
land, das die beiden Flügel der Verbündeten gegen jede Umgehung sicherte.
Gelang der Angriff, so blieb Napoleon nur noch der Rückzug nach Westen
offen, erst durch die enge Stadt, dann auf einer einzigen Brücke über die
Elster, endlich auf dem hohen Damme der Frankfurter Landstraße quer
durch die nassen Wiesen der Auen — der denkbar ungünstigste Weg für
ein geschlagenes Heer.
Napoleon sammelte die Hauptmasse seiner Streitkräfte bei Wachau,
drei Stunden südöstlich der Stadt. Da er von dem Zauderer Bernadotte
nichts befürchtete und die schlesische Armee noch weit ab im Nordwesten
bei Merseburg wähnte, so gab er dem Marschall Marmont, der im Norden
bei Möckern stand, den Befehl, sich mit der Hauptarmee zu vereinigen, um
die Niederlage des böhmischen Heeres vollständig zu machen. In der Tat
entsprach der schwedische Thronfolger Karl Johann den Erwartungen des
Kaisers. Die Nordarmee erschien am 16. gar nicht auf dem Schlacht-
felde, sodaß die Verbündeten nur eine geringfügige Überzahl, 192006 gegen
177 000 Mann, in das Gefecht führen konnten; eine weite Lücke blieb
zwischen den beiden Hälften der verbündeten Heere offen, die Kämpfe des
ersten Tages zerfielen in Wahrheit in zwei selbständige Schlachten, bei
Möckern und bei Wachau.
Blücher dagegen kam nicht auf dem Umwege über Merseburg, sondern
geradeswegs auf der Landstraße von Halle heran und zwang Marmont
durch sein unerwartetes Erscheinen, bei Möckern stehen zu bleiben. Wie
lieblich war den tapferen Schlesiern das Leben eingegangen die letzten
Tage über, als sie jubelnd in Halle einzogen, von den Bürgern der endlich
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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Extrahierte Personennamen: Gneisenaus Napoleon Napoleon Napoleon Bernadotte Marschall_Marmont Karl_Johann Karl Johann
327
gestreckt die hohen Lehmmauern von Probstheida, auf beiden Seiten durch
Geschütze gedeckt — der Schlüffe! des französischen Zentrums. Unter
dem Kreuzfeuer der Batterien begann der Angriff, ein sechsmal wieder-
holtes Stürmen über das offene Feld, doch zuletzt behauptete sich Napo-
leons Garde in dem Dorfe, und auch Stötteritz nebenan blieb nach
wiederholtem Sturm und mörderischem Häuserkampf in den Händen der
Franzosen. Unmittelbar unter den Augen des Kaisers ward auch
heute den Verbündeten kein entscheidender Erfolg, obgleich sie dicht an
den Schlüffelpunkt seiner Stellung herangelangten. Indessen rückte aus
ihrem rechten Flügel das Nordheer in die Schlachtlinie ein, füllte die
Lücke, welche die böhmische Armee von der schlesischen trennte, schloß
den großen Schlachtenring, der die Franzosen umfaßte. Es hatte Mühe
genug gekostet, bis Bernadotte, der am 17. endlich bei Breitenfeld
aus der alten Stätte schwedischen Waffenruhmes angelangt war, zur
tätigen Teilnahme beredet wurde; um den Bedachtsamen nur in den
Kampf hineinzureißen, hatte Blücher seiner eignen Tatkraft das schwerste
Opfer zugemutet, 30000 Mann seines Heeres an die Nordarmee ab-
getreten und damit selber auf den Ruhm eines neuen Sieges verzichtet.
Einmal entschlossen, zeigte Bernadotte die Umsicht des bewährten Feld-
herrn. Während Langerons Ruffen auf der äußersten Rechten der An-
griffslinie durch wiederhotten Sturm den Feind aus Schönefeld zu ver-
drängen suchten, traf die Hauptmasse der Nordarmee am Nachmittag aus
der Ostseite von Leipzig ein. Bülow führte das Vordertreffen und schlug
das Korps Rehmers aus Paunsdorf hinaus.
So stießen die alten Feinde von Großbeeren abermals aufeinander;
doch wie war seitdem die Sttmmung in den sächsischen Regimentern um-
geschlagen! Wunderbar lange hatte die ungeheure Macht des deutschen
Fahneneides die Truppen des Rheinbundes bei ihrer Soldatenpflicht fest-
gehalten; außer einigen vereinzelten Bataillonen waren bisher nur zwei
westfälische Reiterregimenter zu den Verbündeten übergegangen. Mit dem
Glücke schwand auch das Selbstgefühl der Napoleonischen Bundesgenossen;
sie begannen sich des Krieges gegen Deutschland zu schämen, sie empfanden
nach, was ihr Landsmann Rückert ihnen zurief:
Ein Adler kann vielleicht noch Ruhm erfechten,
doch sicher ihr, sein Raubgefolg, ihr Raben
erfechtet Schmach bei kommenden Geschlechtern!
Die Sachsen fühlten sich zudem in ihrer militärischen Ehre gekränkt durch
die Lügen der Napoleonischeu Kriegsberichte; sie sahen mit Unmut, wie
ihre Heimat ausgeplündert, ihr König von Ort zu Ort hinter dem
Protektor hergeschleppt wurde; und sollten sie mit nach Frankreich ent-
weichen, wenn Napoleon die Schlacht verlor und Sachsen ganz in die
Gewalt der Verbündeten fiel? Selbst die Franzosen empfanden Mitleid
mit der unnatürlichen Lage dieser Bundesgenossen; Reynier hatte bereits
den Abmarsch der Sachsen nach Torgau angeordnet, als das Anrücken
der Nordarmee die Ausführung des wohlgemeinten Befehles verhinderte.
In der Gegend von Paunsdorf und Sellerhausen schloffen sich etwa
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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Extrahierte Personennamen: Bernadotte Bernadotte Bülow Rückert Napoleon Reynier
Extrahierte Ortsnamen: Probstheida Breitenfeld Leipzig Rheinbundes Deutschland Sachsen Frankreich Sachsen Sachsen Torgau
328
3000 Mann der sächsischen Truppen an die Nordarmee an, mit ihnen
eine Reiterschar aus Schwaben, Die Preußen und Russen nahmen die
Flüchtigen mit Freuden auf; nur den Württembergischen General Nor-
mann, der einst bei Kitzen die Lützower verräterisch überfallen hatte, wies
Gneisenau mit verächtlichen Worten zurück. Friedrich Wilhelms Ehrlichkeit
aber hielt den Borwurf nicht zurück: wie viel edles Blut die Sachsen dem
Vaterland ersparen konnten, wenn sie ihren Entschluß früher, vor der
Entscheidung faßten! Der traurige Zwischenfall blieb ohne jeden Einfluß
auf den Ausgang der Völkerschlacht, aber es war doch wieder die Einsicht
erwacht, daß auch nach dem Untergange des alten Reiches die Deutschen
noch ein Vaterland besaßen und ihm verbunden waren durch heilige
Pflichten.
Gegen 5 Uhr vereinigte Bülow sein ganzes Korps zu einem ge-
meinsamen Angriff, erstürmte Sellerhausen und Stünz, drang am Abend
bis in die Kohlgärten vor, dicht an die östlichen Tore der Stadt. Da, als
auch Langeron auf der Rechten das hart umkämpfte Schönefeld endlich
genommen hatte und ebenfalls gegen die Kohlgärten herandrängte, war
Ney mit dem linken Flügel der Franzosen auf seiner ganzen Linie ge-
schlagen. Durch diese Niederlage war Napoleons Stellung im Zentrum
unhaltbar. Noch am Abend befahl er den Rückzug des gesamten Heeres,
illun wälzten sich die dichten Massen der geschlagenen Armee durch drei
Tore zugleich in die Stadt hinein, um dann allesamt in entsetzlicher Ver-
wirrung auf der Frankfurter Sttaße sich zu vereinigen. Die Hundert-
rausende, die beim Feuerscheine von zwölf brennenden Dörfern auf dem
teuer erkauften Schlachtfelde lagerten, empfanden ttef erschüttert den
heiligen Ernst des Tages; unwillkürlich sttmmten die Ruffen eines ihrer
frommen Lieder an, und bald klangen überall, in allen Zungen der Völker
Europas, die Dankgesänge zum Himmel auf. Die Sieger beugten sich
unter Gottes gewaltige Hand; recht aus dem Herzen der frommen be-
wegten Zeit heraus sang der deutsche Dichter:
O Tag des Sieges, Tag des Herrn,
wie feurig schien dein Morgenstern!
in.
Nur der Feldherr, der von Amts wegen als der Besieger Napoleons
gefeiert wurde, vermochte die Größe des Erfolges nicht zu fassen. Schwarzen-
berg weigerte sich, die noch ganz unberührten russischen und preußischen
Garden zur Verfolgung auszusenden — nicht aus Arglist, wie manche
der grollenden Preußen annahmen, sondern weil sein Kleinmut die Ge-
schlagenen nicht zur Verzweiflung treiben wollte. Blücher hatte den Tag
über wegen des verspäteten Eintteffens der Nordarmee sein kleines Heer
zusammenhalten müssen, um einen Ausfall in der Richtung auf Torgau,
den man noch immer befürchtete, zurückweisen zu können; darum ward
Jorck erst am Abend auf dem weiten Umwege über Merseburg dem
fliehenden Feinde nachgesendet. Also konnte Napoleon noch 90000 Mann,
fast durchweg Franzosen, aus der Schlacht retten. Die Deckung des
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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TM Hauptwörter (200): [T21: [Napoleon Bluch Heer General Preußen Franzose Schlacht Armee Mann Wellington], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
Extrahierte Personennamen: Gneisenau Friedrich_Wilhelms Friedrich Wilhelms Napoleons Ernst Napoleons Blücher Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Schwaben Sachsen Napoleons Europas Napoleons Torgau Merseburg
I. Dcx Krieg
13
gewesen, und bade treu zu Rußland gestanden, wenn es in schwerer
Bedrängnis war, besonders in seinem letzter: Kriege. Der Friede Europas
kann von Dir jetzt noch erhalten werden, wenn Rußland sich entschließt,
die militärischen Maßnahmen einzustellen, die Deutschland und Österreich-
Ungarn bedrohen."
Aus diesen Telegrammen sowie aus den zahlreichen andern, in: soge-
nannten Weißbuch der deutschen Regierung über den Ausbruch des Krieges
veröffentlichten Dokumenten geht deutlich die bis zum äußersten getriebene
Friedensliebe des deutschen Kaisers hervor. Man hat nachher erfahren,
daß die obersten militärischen Ratgeber des Kaisers die ernstesten Besorgnisse
hatten, daß die Gegner, nicht nur Rußland, sondern auch Frankreich, durch
ihre fortgesetzte Mobilmachung einen gefährlichen Borsprung vor uns er-
reichen würden. Ihren Borstellungen setzte der Kaiser bis zum letzten Augen-
blick den Entschluß entgegen, erst müßten alle Möglichkeiten, den Frieden
doch noch zu bewahren, erschöpft sein, bevor der Mobilmachungsbefehl er-
ginge. In seinen letzten Ratschlägen an Österreich-Ungarn in betreff der
Behandlung Serbiens ging Kaiser wilheln: um des Friedens willen bis dicht
an die Grenze, die ihm durch unsere Bundestreue unter allen Umständen
vorgeschrieben wurde. Er riet Österreich, sich vielleicht doch mit einer bloß
vorläufigen Bestrafung der Serben zu begnügen und wegen des weiteren
sich auf Verhandlungen mit der Gegenpartei einzulassen. Rußland aber
wollte den Krieg. Ohne Rücksicht auf den Depeschenwechsel zwischen Berlin
und Petersburg setzte es die Mobilmachung gegen Österreich fort und brachte
seine Truppen auch gegen uns in Kriegsbereitschaft, während das geschah,
rief, wie wir sahen, der Zar unserm Kaiser gegenüber die Gnade Gottes an,
um die falsche Versicherung seiner Friedensliebe glaubhaft zu machen, und
sei>: Ministerpräsident, sein Kriegsminister und sein Generalstabschef ver-
sicherten auf ihr Ehrenwort, es sei kein Angriff auf Deutschland beabsichtigt!
Der Grund, aus den: der Zar und feine obersten Berater mit ihrem
Ehrenwort und mit der Anrufung des höchsten Wesens ein so schiinpfliches
Spiel getrieben haben, ist durchsichtig. Rußland braucht längere Zeit für
seine Mobilmachung, als Deutschland. Um diesen Nachteil auszugleichen,
Deutschland zu täuschen und einige Tage Borsprung zu gewinnen, hat sich
die russische Regierung zu einer Handlungsweise erniedrigt, über die es unter
tapferen und anständigen Gegnern nur ein Urteil gibt. Niemandem auf der
Welt war die Friedensliebe des deutschen Kaisers bekannter als den: Zaren.
Auf sie wurde bei den: ganzen häßlichen Streich gerechnet. Glücklicherweise
hat man den j)lan auf deutscher Seite rechtzeitig durchschaut.
Unter Kulturvölkern ist vor Beginn der Feindseligkeiten eine forinelle
Kriegserklärung üblich, und bis auf einige unbedeutende und entlegene
Staaten haben sich alle Mächte völkerrechtlich dazu verpflichtet, diesen Ge-
brauch innezuhalten, weder Rußland noch Frankreich haben diese Pflicht
befolgt. Ohne Kriegserklärung sind russische Truppen über die deutsche
Grenze gegangen, haben das Feuer auf deutsche Abteilungen eröffnet,
Brücken und Gebäude in die Luft zu sprengen versucht. Bon der franzö-
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T35: [König Bismarck Wilhelm Kaiser General Minister Stein Berlin Graf Moltke], T176: [Frankreich England Rußland Deutschland Preußen Krieg Italien Spanien Schweden Holland], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
Extrahierte Personennamen: I._Dcx
Extrahierte Ortsnamen: Europas Deutschland Ungarn Frankreich Serbiens Berlin Petersburg Gottes Deutschland Deutschland Deutschland Frankreich